Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
Electra - mein allerletzter Walzer
19.09.2015
„Spin me back down the years and the days of my youth - and shut out the whole truth. Let them sing the song.”
Langsam,
ganz
langsam,
aber
sicher
treten
die
Helden
meiner
wilden
Jahre,
die
Protagonisten
eines
einzigartigenen
Musikstils,
entstanden
in
der
DDR,
von
der
Live-Bühne
ab.
Die
Vertreter
einer
Ära,
die
von
Kreativität,
von
der
Suche
nach
eigenen
Ausdrucksmöglichkeiten
sowie
Streben
nach
höchster
Qualität
beseelt
waren.
Der
Beat
der
1960er
Jahre
hatte
sie
alle
angesteckt
und
in
den
1970ern
haben
sie
sich
inspirieren
lassen,
Besonderes
zu
schaffen,
das
Bestand
haben
wird.
Einige
dieser
Spezies
existieren
schon
nicht
mehr,
andere
wiederum,
siehe
Karat
oder
Silly,
musizieren
schon
länger
ohne
eines
ihrer
Gründungsmitglieder.
Bei
Renft
wurde
vor
Jahren
vielseitige
Kreativität
gegen
Gleichmaß
getauscht,
aber
das
ist
nur
mein
ganz
persönliches
Empfinden.
Der
Stern
Combo
Meissen
hingegen
ist
es
gelungen,
sich
wieder
neu
zu
erfinden
und
sogar
einem
Jungbrunnen
zu
entsteigen.
Bei
Lift
gibt
es
wieder
Keyboards
und
Saxophon.
Die
Puhdys
ihrerseits
kündigen
zum
nunmehr
wiederholten
Male
ihren
Rücktritt
vom
Rücktritt
an
und
treiben,
gewollt
oder
nicht,
ein
undurchsichtiges
Spiel
mit
jenen,
die
ihnen
den
Erfolg
in
barer
Münze
ermöglicht
haben.
Nur
Dresdens
Electra
hat
für
sich,
„und
nicht
ohne
Wehmut“,
entschieden,
demnächst
in
Würde
und
rechtzeitig
von
der
Konzertbühne
abzutreten.
Die
Tour
„The
Last
Waltz“
wird
auch
ihre
letzte
sein.
Das
verdient
Achtung,
Respekt
und
Würdigung,
wenn
auch
bei
vielen
mit
einer
Träne
im
Augenwinkel.
Dieses
Gefühl
von
Endlichkeit,
aber
auch
von
Glück,
das
alles
miterlebt
und
emotional
mitgetragen
zu
haben,
versucht
jeder,
der
noch
seine
eigene
Konzerttauglichkeit
austesten
möchte,
auf
seine
Weise
zu
verarbeiten.
Ich
gönne
mir
nun
doch
noch
einen
allerletzten
Walzer,
nachdem
mein
letzter
bereits
in
der
Abendsonne
von
Freiberg
verklungen
ist.
Diesen
Abschied
noch
einen
winzigen
Moment
hinauszögern,
ehe
ein
weiterer
Meilenstein Marke „Rock hierzulande“ seinen letzten Eintrag im Geschichtsbuch gefunden haben wird.
Der
Himmel
über
Magdeburg
ist
dem
Ereignis
entsprechend
verregnet,
um
nicht
verheult
zu
sagen.
Das
Opernhaus
steht
irgendwie
traurig
am
Theaterplatz.
Drinnen
füllt
sich
das
Foyer,
Erinnerungen
werden
ausgetauscht
und
man
trifft,
welch
Wunder,
bekannte
Gesichter.
Alle
wollen
sie
Adieu
sagen.
Die
Hütte
ist,
wie
bei
einer
Opernpremiere,
ausverkauft,
nur
die
Kleiderordnung
ist
anders,
wenn
auch
festlich
angepasst.
Als
es
dunkel
wird
im
Saal
und
nur
noch
das
Blau
des
Vorhangs
leuchtet,
tobt
das
Publikum.
Pfiffe
gellen
und
dann
die
Lautsprecheransage,
man
möge
doch
bitte
sein
Handy
auf
laut
und
das
Hörgerät
auf
leise
stellen.
Der
Lautstärke
wegen.
Auf
das
Fotografieren
solle
man
verzichten,
stattdessen
die
Musiker
so
in
Erinnerung
behalten,
wie
wir
sie
in
unserer
Jugend
erlebt
hätten.
Lautes
Lachen
ist
die
Antwort und dann bricht ein Stimmungsorkan los. BERND AUST betritt die Bühne.
Was
jetzt
kommen
wird,
kennen
natürlich
alle,
doch
diesmal
ist
alles
anders.
Es
ist
das
allerletzte
Mal
und
hochemotional.
Im
Spot
des
Lichtkegels
spielt
die
Flöte
Noten,
die
einst
Johann
Sebastian
Bach
schrieb.
Der
hat
damals
noch
nicht
an
Art-
und
Klassik-Rock
gedacht,
sondern
filigrane
Melodiebögen
auf
dem
Papier
verewigt,
die
lieblich
unsere
Ohren
umschmeicheln.
Doch
Sekunden
später
übernimmt
die
Band
das
Zepter.
Von
nun
an
wird
gerockt
und
die
Querflöte
nimmt
uns
alle
mit
auf
eine
allerletzte
wilde
Reise
mit
ihrer
Version
vom
„Säbeltanz“.
Von
Null
auf
Hundert
ist
der
Saal
am
Kochen.
Wer
sagt
denn,
die
Herren
da
vorn
wären
„alt
wie
buntes
Laub
im
Herbst“?
Sie
sind
so
was
von
entspannt, dass ich Abschied glattweg vergessen könnte.
Es
ist
schön
hier
zu
sitzen.
Ich
genieße
jeden
Ton,
jede
Geste
und
diesen
glasklaren
Sound.
Ich
kann
genau
sehen,
wie
GISBERT
KORENG
dieses
„Einmal
ich,
einmal
du“
förmlich
mit
dem
ganzen
Körper
zelebriert
und
STREPHAN
TREPTE
„altes
Laub“
auferstehen
lässt.
Die
alte
Reform-Nummer
bekommt
gar
einen
Hauch
von
Swing,
als
BERND
AUST
zum
Tenorsaxophon
greift
und
ein
wenig
auf
„English
Man
In
New
York“
macht.
Klasse!
Die
da
vorn
spielen,
als
wäre
es
…
nein,
es
ist
fast
das
letztes
Mal.
Ich
bin
begeistert,
aber
tief
drinnen
ein
wenig
traurig.
Mit
einem
Schmunzeln
im
Gesicht
genieße
ich
dennoch
„Einmal
Amerika“
vom
„Aufrechten
Gang“
(1989),
eine
Platte,
die
seinerzeit
nicht
mehr
in
die
Läden
gelangte.
Der
„aufrechte
Gang“
wurde
stattdessen
auf
den
Straßen
geprobt.
Auch
das
geht
mir
durch
den
Kopf
und
dass
wir
alle
ihn
jetzt
dringend
wieder
gebrauchen
könnten,
wenn
die
da
oben
schon
die
Zeichen
der
Zeit
verschlafen.
Wer
ELECTRA
sagt,
meint
auch
„Sixtinische
Madonna“,
jenes
Konzeptwerk
und
einzige
musikalische
Hommage
an
das
legendäre
Gemälde
in
Dresden.
Ich
habe
die
Aufführung
mit
Chor
und
Orchester
als
Open-Air-Konzert
erleben
dürfen
und
jetzt
erinnere
ich
mich
noch
einmal
an
dieses
Erlebnis,
während
da
vorn
a-capella
das
Madrigal
„Lo
ti
voria
contar
la
pena
mia“
meine
Ohren
umschmeichelt.
Einfach
nur
schön.
Wer
ELECTRA
sagt,
der
meint
aber
auch
Jethro
Tull.
Das
hatte
sich
so
ergeben,
weil
die
Musiker
diese
Musik
lieben
und
weil
das
Schlüsselinstrument,
die
Querflöte,
von
einem
Meister
gespielt
wird.
Da
war
Tull
ein
Muss
und
so
kam
es,
dass
die
Dresdner
die
einzigen
waren,
die
sich
an
die
zwei
Mal
zwanzig
Minuten
herantrauten,
um
sie,
zumindest
teilweise,
live
auf
die
Bühne
zu
bringen.
Mir
ist
schon
bei
der
Ansage
das
Herz
gehüpft
und
dann
erklingen
jene
gezupften
Akkorde,
die
sich
durch
das
Meisterwerk
„Thick
As
A
Brick“
(etwa:
saudumm)
wie
ein
roter
Faden
ziehen:
„Really
don’t
mind
if
you
sit
this
one
out.
–
Spin
me
back
down
the
years
and
the
days
of
my
youth.“
Dass
ich
das
noch
einmal
live
erleben
darf!
Erst
das
zehnjährige
Dichtergenie
Gerald
Bostock,
eine
Erfindung
von
Mastermind
Anderson,
ein
genialer
Geniestreich,
ein
Werbe-Gag
sowie
musikalischer
Meilenstein,
und
nun
sitze
ich
hier
und
bin,
wie
selbiger
Bostock
und
sein
Schöpfer,
in
die
Jahre
gekommen.
Allein
diese
dreizehn
Minuten
waren
die
Reise
hierher
wert
und
der
Saal
tobt,
will
nicht
aufhören.
Es
ist
die
blanke
Begeisterung
einer
älter
gewordenen
Jugendgeneration,
die
sich
an
ihre
vielleicht
besten
Jahre
erinnert,
sie
für
Momente
zu
erhaschen versucht. Dies ist auch der Augenblick, den die da oben sichtlich und vergnügt genießen können. Recht so!
Nachdem
der
„Türkische
Marsch“
mit
dem
Zitat
von
„Aqualung“
verklungen
und
die
Pause
vergangen
ist,
bekommen
wird
mit
„Bouree“
und
„Locomotive
Breath“
zwei
weitere
Tull
-
Klassiker
sowie
eine
kleine
Anekdote
über
Ian
Anderson,
den
Zug
fahrenden
Schotten,
zu
hören.
Wenn
Musiker
erzählen
würden!
Manche
dieser
nicht
erzählten
Geschichten
aus
dem Musikantenalltag werden wohl leider mit ihren Geschichtenerzählern abtreten. Wie schade.
Noch
einmal
greift
ELECTRA
tief
in
die
Mottenkiste,
zurück
in
jene
Zeiten,
als
von
„Barbara
Ann“
bis
„You
Really
Got
Me“
alles
nachgespielt
wurde,
was
das
Westradio
hergab.
Einen
jener
Klassiker
haben
die
Herren
Aust
&
Co.
für
sich
neu
bearbeitet
und
so
wird
aus
der
Ballade
„The
House
Of
The
Rising
Sun“
eine
groovende
Rock-Nummer
mit
satten
Saxophon-Parts
und
stampfender
Rock-Gitarre.
Würzig
verfremdet
und
dennoch
dem
Original
unheimlich
nah.
Es
gibt
so
viele
Versionen,
aber
diese
fette
Nummer
gehört
eigentlich
auf
einen
Tonträger
und
das
eingebundene
Drum-Solo
von
FALK MÖCKEL gleich mit!
Ich
liebe
es,
wenn
STEPHAN
TREPTE
„Hey,
Schwester
küss
mich“
singt
und
wenn
„Kuddel“
jedes
Wort
mit
seinen
Gesten
so
kommentiert,
das
selbst
ein
Tauber
mitsingen
könnte.
Wer
bitteschön,
soll
mich
zukünftig
derart
feinfühlig
und
humorvoll
als
Bassist
unterhalten?
Wer
wird
mir
mein
Lieblings-Bass-Solo
auf
die
Bühne
zaubern?
Und
wer
eigentlich,
wird
mir
zukünftig
„Seh
in
die
Kerzen“
singen,
wenn
mir
danach
zumute
ist?
Dieses
betagte
Kleinod,
einst
bei
Klaus
Lenz
entstanden,
hat
unbestritten
das
Zeug,
gleichwertig
neben
„Yesterday“
oder
„Ruby
Tuesday“
zu
stehen
und
keiner
dieser
Presse-Heinis
schreibt
es
dorthin!
Vom
„Dom“
mal
ganz
zu
schweigen.
In
dem
Augenblick,
als
ANDREAS
„Bruno“
LEUSCHNER
die
Tasten
drückt
und,
wie
eine
Hommage
an
Czeslaw
Niemen,
die
sakralen
schweren
Orgel-
Akkorde
im
Raum
schweben,
wird
mir
bewusst,
dass
nun
auch
„Tritt
ein
in
den
Dom“
unweigerlich
das
Ende
einer
Ära
einläutet.
In
mir
schwankt
es
zwischen
Jubel,
diese
Hymne
hören
zu
können,
und
Wehmut,
weil
sie
nun
ausklingen
wird.
Live
und
für
immer.
Was
für
eine
Ode
an
die
Menschen
und
deren
Fähigkeiten,
Großes
zu
vollbringen.
So
wie
ELECTRA eben auch 46 Jahre ein Teil dieser Geschichte geworden sind.
Als
Zugabe
steigert
sich
ein
großartiger
STEPHAN
TREPTE
noch
einmal
in
die
„Dicken
Bohnen“,
gibt
noch
einmal
alles
und
übertrifft
sich
dabei,
gesanglich
und
darstellerisch,
beinahe
selbst.
Hut
ab
vor
diesem
Shouter,
der
es
noch
immer
kann!
Das
Auditorium
steht
wie
ein
Mann,
es
tobt
und
klatscht
und
niemand
will
wirklich,
wenn
sie
schon
aufhören
wollen,
dass
sie
jetzt
schon
von
der
Bühne
gehen,
ohne
„Nie
zuvor“
gesungen
zu
haben.
Sie
tun
es,
sie
verbeugen
sich,
sie winken, sie freuen sich und sie gehen ….
Dieser
Abend
ist
perfekt,
zumal
in
einem
voll
besetzten
Opernhaus.
Würdiger
und
euphorischer
geht
es
nicht.
Glaube
ich
zumindest
und
doch!
Ich
hätte
was
drum
gegeben
und
hätte
es
ihm
wirklich
so
sehr
gewünscht.
Es
wäre
das
berühmte
Sahnetörtchen
geworden,
hätten
wir
alle
noch
einmal
diesen
„Grünen
Esel“
gehört
und
ihn
dazu
stolzieren
gesehen.
Noch
einmal
PETER
„Mampe“
LUDEWIG
und
„Das
kommt,
weil
deine
Seele
brennt“
oder
mir
zuliebe
„Winterweißer
Winter“
von
1972,
gesungen
von
der
Dresdner
Nachtigall.
Irgendwie,
so
scheint
es
mir,
ist
MAMPE
immer
dabei und so wird es bei vielen auch bleiben.
Es
wird
in
einer
Woche
noch
einen
Abschlusswalzer
geben.
Ein
letztes
Mal
live
das
Orgel-Intro
vom
„Dom“,
einen
allerletzten
Blick
in
die
„Kerzen“
und
zum
wirklich
letzten
Mal
BERND
AUST
mit
seiner
Querflöte
am
Mikrofon
auf
einem
Bein
stehend.
Nie
wieder
wird
der
„Kuddel“
seinen
Bass
mit
einem
Bogen
streicheln
und
die
expressive
Stimme
eines
STEPHAN
TREPTE
soll
nun
tatsächlich
nur
noch
in
der
Badewanne
erklingen?
GISBERT
KORENG
wird
dann
singend
nur
noch
in
der
Sächsischen
Schweiz
zu
hören
sein,
wenn
man
ihn
beim
Wandern
trifft,
und
ECKHARD
LIPSKE
wird
den
Sound
seiner
sechs
Saiten
wohl
auch
nie
wieder
in
ein
Art-Rock-Geflecht
einbinden.
Kaum
vorstellbar
für
einen,
dem
auch
diese
Band
das
Leben
reichhaltig
gemacht
hat,
der
kunstvoll
und
vielschichtig
miteinander
verwobene
Klänge
sowie
deren
Rock-Gewand
liebt.
Dennoch
wird
es
wohl
so
sein
und
man
könnte
heulen,
denn
Abschied
tut
weh,
auch
im
reiferen
Jugendalter
als
Rock’n’nRoll-Rentner.
Deshalb
DANKE
ELECTRA,
danke
meine
Herren
und
ganz
persönlich
auch, danke BERND AUST. Viele, ganz viele werden Euch vermissen. Ich auch!
DANKE Tina - die, mit dem Hut - für Deine Hilfe und Unterstützung
(Gästekarte, Fotos, Unterschriften) vor, während und nach diesem
Konzert. Du wirst mir genau so fehlen, wie „Deine“ Band.